Lechgau Trachtenverband

Vereinsauflösung

Trachtenverein Neu-Ulm löst sich auf

Nach 115 Jahren: Zu wenig Nachwuchs und keine Vorstandschaft

Lechgau Eine traurige Nachricht ereilte unlängst den Lechgau-Trachtenverband: Der Trachtenverein „Almrausch“ Neu-Ulm befindet sich in der Auflösung. Nach stolzen 115 Jahren Vereinsgeschichte - weil sich keine neue Vorstandschaft findet und der Nachwuchs fehlt.

Im Jahr 1908 wurde der Verein von 14 Trachtlern gegründet. Zuerst unter dem Namen „Grüabi samma“, der laut Chronik aber „wenig zugkräftig war“ und schon ein Jahr später in „Hohenschwangauer“ umgeändert wurde. Unter diesem Namen nahmen die schwäbischen Trachtler 1913 erstmals an einem Lechgau-Trachtenfest teil, dem sie in diesem Jahr beigetreten waren. Eine mögliche Erklärung für den Beitritt zu dem weit entfernten Dachverband könnte sein, dass es den Altbayerisch-Schwäbischen Gauverband, der heute in dieser Region aktiv ist, noch gar nicht gab. Er wurde erst sieben Jahre später im Jahr 1920 gegründet. Und die Entfernung zu den damals bereits bestehenden Dachverbänden (Allgäuer Gauverband und Verein Bayerischer Volkstrachtenvereine links der Donau) war ähnlich groß wie zum Lechgau, wo man, wie die Neu-Ulmer, die typische Gebirgstracht trägt.

Nach dem Ersten Weltkrieg schloss sich der Verein mit zwei weiteren kleinen Trachtenvereinen aus Ulm und Neu-Ulm zusammen, und gemeinsam begründeten sie den „Almrausch“. Es folgte der Zweite Weltkrieg, nach dessen Ende sich das laut Chronik „arg zerzauste Häuflein Almrauscher wieder zusammenfand“ und das Vereinsleben wiederbelebte. Und das funktionierte richtig gut: Der Verein wuchs und gedieh. 1954 und 1979 richteten die „Almrauscher“ sogar die großen Gaufeste aus. 1978 landeten sie beim Preisplatteln des Lechgaus mit ihrer starken Plattlergruppe auf dem ersten Platz. In diesen Hochzeiten bis in die späten 90er Jahre verzeichneten die Neu-Ulmer Trachtler weit über 100 Mitglieder, davon viele Kinder und Jugendliche.

Davon ist leider nichts mehr übrig. „Wir hatten am Ende nur noch 67 Mitglieder, davon lediglich 27 Aktive mit einer Tracht und keine Jugendlichen mehr. Das Durchschnittsalter lag bei 65 Jahren“, berichtet die ehemalige Vorständin Andrea Werbach, der es sichtlich schwerfällt darüber zu sprechen. 2016 hatte sie den Verein übernommen, und seither gekämpft. „Wir haben in den letzten Jahren wirklich alles probiert, sind in Schulen und Kindergärten gegangen und haben Werbung gemacht.“ Doch nichts half. Den endgültigen Todesstoß versetzte dem Vereinsleben die Corona-Pandemie. Danach nahmen die „Almrauscher“ ihre Arbeit gar nicht erst wieder auf. „Ein ´normaler´ Betrieb, wie ihn unsere Satzung auch vorschreibt, war nicht mehr möglich. Wir brachten ja noch nicht einmal mehr eine Tanzgruppe zusammen“, erläutert Werbach die Situation, die letztlich zur Auflösungs-Entscheidung beitrug. Hinzu kam, dass es unter einigen der verbliebenen Mitgliedern zu Streitigkeiten kam, weil niemand mehr die Verantwortung übernehmen wollte. Weder als Vorstand, noch in einem anderen Amt.

Bei einer Vereinssitzung im September vergangenen Jahres musste Gauvorstand Franz Multerer also die alles entscheidende Frage stellen: „Wer ist dafür, dass sich der Verein auflöst?“ 19 von 20 Anwesenden stimmten dafür. „Das ist wirklich schlimm. Auch für einen Gauvorstand.“ Es folgten Monate der bürokratischen Abwicklung, damit auch alles zu 100 Prozent seine Richtigkeit hat. Seit 10. März befindet sich der Trachtenverein „Almrausch“ Neu-Ulm jetzt im so genannten Ruhejahr. Sollte sich in dieser Zeit nicht völlig überraschend eine neue Vorstandschaft finden, wird der Verein am selben Datum 2024 offiziell aufgelöst. Das Vereinsheim mitten in Neu-Ulm und das Vereinsvermögen gehen dann an die Stadt. Die beiden Vereinsfahnen, das Vereinstäfelchen sowie die Chronik kommen ins Trachtenmuseum in Holzhausen.

„Wir bleiben aber trotzdem Trachtler und kommen auch zum Gaufest in Epfach. Dann halt als Gäste“, sagt Werbach mit einem traurigen Lächeln. Denn in den vielen Jahren sind auch viele Freundschaften entstanden. „Wir werden sie zu unseren Festen auf jeden Fall auch künftig einladen“, betont auch Vorstand Markus Wölfle, dessen Verein „Schloßbergler“ Schongau Patenverein von Neu-Ulm ist. Auch wenn die Zahl der dem Lechgau angeschlossenen Vereine sich auf 18 reduziert – vergessen werden die „Almrauscher“ nicht. Und überall gern gesehen sind sie ohnehin.

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